Die Geschichte der Stadt Bad Sachsa
von Dr. med. dent. Fritz Markmann
[...] Über die Gründung unserer zweiten Heimat, denn das ist Sachsa, liegt wenig Quellenmaterial vor. Man nimmt sie etwa um das Jahr 600 an. Im Jahre 860 wir zum erstenmal in der "Geschichte der Stifte Fulda und Hersfeld" ein Ort "Sahaxa"erwähnt. Eine Urkunde, die einen Güteraustausch zwischen Kloster Walkenried und dem Grafen von Hohenstein, dem damaligen Landesherrn, zum Inhalt hat, trägt die Unterschrift: "Henricus de Saxa". Von da ab findet man den Namen "Saxa" öfter inder Chronik Walkenrieds, so z.B. im Jahre 1237 einen "Sifribus de Saxa", 1238 die "Coloni de Saxa" und 1248 die "rustici de Saxa". Die Geschichteder Stadt Nordhausen berichtet 1298 über einen Bürger "Gotscalcus de Saxa", Kastellan der Stadt Nordhausen, und die Geschichte der Heraldi besagt, daß 1402 ein "Dylano von der Sachse" den Schwertadel erhielt.
Aus den Aufzeichnungen Walkenrieds erfährt man 1324 von einem "Henricus plebanus villae Saxa", der Pfarrer des Dorfes Saxa war, und dann erst wieder aus dem Achidiakonregister im Jahre 1506 von einem Pfarrer des Kirchdorfes Sachsa, 1516 von dem "Flecken zu der Sachse".
Wann Sachsa Stadt geworden ist, geht aus den Urkunden, die vorhanden sind, nicht mit Bestimmtheit hervor. Im hiesigen Archiv befindet sich jedoch ein Auszug aus dem Jahre 1545 mit der Aufschrift "Extract aus dem alten Stadt- und Ratshandelsbuch de anno 1545-1656".
Nach dem Aussterben des Geschlechts der Grafen von Hohenstein fiel Sachsa den Herzögen von Braunschweig und Lüneburg zu, die im Jahre 1593 die Stadtfeiheiten bestätigten. Der 30 jährige Krieg brachte über Ort und Umgebung viel Leid und Schicksal. Die Urkunde aus dem Jahre 1593 ging während des Krieges verloren und konnte erst im Jahre 1653 neu verbrieft werden. Im Jahre 1648 fiel die Grafschaft Hohenstein bei der Auseinandersetzung mit Schweden, das als Ersatz Vorpommern erhielt, an Preußen. Der Große Kurfürst übergab sie im Jahre 1651 an die Grafen von Sayn - Wittenstein, sein Nachfolger nahm sie 1698 in eigene Verwaltung zurück. Seit dieser Zeit ist Sachsa preußisch.
Der älteste Stadtteil Sachsas umfaßt die Schul-, Kirch- und Marktstraße. Er war von einer Mauer umgeben, die vom Gänsetor in der Kirchstraße über den Mühlenbrink nach der Uffe, und dieser entlang nach dem Südtor über die untere Marktstraße führte. Nach der Westseite hin ist nichts von einer alten Befestigung festzustellen. Am 2.4. 1718 wurde unsere Heimatstadt durch einen großen Brand zerstört. Hundert Häuser wurden vernichtet und mit ihnen ging das gesamte Aktenmaterial des Rates und der Kirche verloren.
Zwei Stadttore und ein Wartturm auf dem Warteberg wurden 1854 bzw. 1874 abgebrochen. Das nach dem Brand neu aufgebaute Sachsa breitete sich zunächt nach Osten aus in Richtung Uffe-und Ziegelstraße. Siedlungen auf der Pfaffenwiese und in der jetzigen Schützenstraße wurden erst später gegründet.
In der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts sah man bei einem Gang durch die Stadt vor dem Südtor nur einige Häuser. Die Marktstrasse hatte rechts und links an den Häusern entlang einen Fährdamm, in der Mitte eine Gosse. Nach starken Regenfällen und zur Zeit der Schneeschmelze legt man, um den Verkehr von der einen zur anderen Straßenseite zu ermöglichen, Bretter über die Gosse. Die Kirchstraße endete am Gänsetor, vor dem Haus, (Heute das Lichtspieltheater "Capitol") lag. Die Schulstraße endete bei der alten Mühle, der heutigen Polizeistation auf der einen und dem Neumeyerschen Grundstück auf der anderen Seite. Vor der Stadt lagen zwei Mühlen, nämlich die Gelpke'sche und die im Grundstück von Friedrich Kälz, sowie das heutige Schützenhaus, das damals ein Forsthaus war. Brand, Pfaffenberg, die Gegend um die Wiedaer Straße sowie das Borntal waren noch Weide- und Ackerland. Schon damals gern gemachte Ausflüge führten auf den Katzenstein und Ravensberg, wo statt der heute erbauten Hotels einfache Bretterbuden standen, die den müden Wanderer zu kurzer Rast einluden. Im Jahre 1821 zählte das Städtchen Sachsa, wie aus dem "Taschenbuch für Reisende in den Harz" zu ersehen ist, 200 Häuser mit 1000 Einwohnern. Dies bestätigte der "Harzführer" von 1823!
Über Reichtümer hat Sachsa nie verfügt. Kleine Landwirtschaften warfen bei dem wenig ergiebigen Boden nur geringen Gewinn ab. Außer fünf Mühlen und einigen Nagelschmieden, neben kleinen Handwerklichen Unternehmen, gab es Betriebe von wirtschaftlicher Bedeutung in Sachsa nicht. Die Bewohner, die nicht im Forst oder als selbstständige Handwerker beschäftigt waren, ernährten sich durch Heimatarbeit. Im Sommer zog in Teil der Männer als Maurer und Zimmerleute in die Fremde. Die Bevölkerung wuchs, und mit ihr auch die Notwendigkeit, nach neuen Einnahmequellen zu suchen. So kam es, daß in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts versucht wurde, Sachsa als Kur- und Sommeraufenthalt bekannt zu machen.
Die in den Zeitungen verschiedener Städte veranstaltete Werbung hatte guten Erfolg. Erholungssuchende und Naturfreunde, die den Ort kennenlerneten, waren angetan von seiner Schönheit, der waldreichen Umgebung und den guten klimatischen Verhältnissen. Sachsa wurde bekannt und zu Kur- und Erholungszwecken immer weiter empfohlen. Durch den Bau der Bahnstrecke Nordhausen - Northeim im Jahre 1869 wurde das Reisen wesentlich erleichtert. Zunächst erhielt Tettenborn eine Bahnstation, im Jahre 1898 bekam jedoch auch Bad Sachsa eine eigene Haltestelle. Eine Posthilfsstelle wurde ebenfalls eingerichtet, die bereits1888 in ein Postamt umgewandelt wurde.
Da das Städtchen sich "Bad" nannte, mußte unter allen Umständen eine Bademöglichkeit geschaffen werden. Dies tat der Mühlenbesitzer Herr Gelpke, und richtete unter seinem Wasserrade eine Badezelle ein, zu der das Wasser vom Mühlengraben auszugeleitet wurde. Wenig später erfolgte der Bau des ersten Schwimmbads im Salztal.
Umsichtige Männer gründeten in den 70er Jahren einen Harzklubzweigverein und im Jahre1878 eine Badegesellschaft, die bereits 1890/91 ein Badehaus mit 14 Zellen erbauen ließ. In dieses Jahr fällt auch die Gründung des Pädagogiums.
In den 80er und 90er Jahren wuchs die Stadt Bad Sachsa. Es entstanden neue Straßen: Hindenburg-, Bismarck- und Talstraße; Brand und Pfaffenberg wurden bebaut. Die Bautätigkeit erstreckte sich auch auf Eulingswiese, Katzenstein und Ravensberg.
Überall war man bemüht, es den Erholungssuchenden und Gästen so angenehm wie möglich zu machen durch Anlage des Kurparkes, von Wanderwegen und durch Schaffung schöner Aussichtspunkte. Die Schönheit des Ortes und seiner Umgebung zog finanziell gut gestellte Familien an, die Grundbesitz erwarben und sich in der nunmehr entdeckten "Perle des Südharzes" wohlfühlten. Auch für Unterhaltung der Kurgäste wurde gesorgt. Die Kurverwaltung veranstaltete Konzerte, Schmelzteichbeleuchtung und Feuerwerke. Im Winter fanden Eis- und Rodelfeste statt, und in der Faschingszeit ein Rodelkorso, der bis auf den heutigen Tag beibehalten worden ist. Nach der Gründung des Rodelklubs im Jahre 1909 folgte die eines Skiklubs. Nach dem Ausbau der Marktstraße, der Anlage einer Wasserleitung (1896), einer Kanalisation (1901) und eines eigenen Elektrizitätswerkes (1903) konnte Sachsa den Vergleich mit allen anderen Harzbädern wohl aufnehemen.
Es sei noch erwähnt, wie schon oben angedeutet, daß im Jahre 1905 Sachsa die Berechtigung erhielt, sich "Bad" zu nennen. Der erste Weltkrieg lähmte eine Aufwährtsentwicklung für lange Zeit. Nach seiner Beendigung wurden aber Mühe und Arbeit nicht geschäut, den Badebetrieb wieder in Gang zu bringen. Denn Sachsa war in 21 Friedensjahren zu einem blühenden, weit und breit bekannten Kurort geworden.
Besonders in der Amtszeit des nun im Ruhestand lebenden Bügermeisters Dr. Griepentrog dehnte sich der Ort aus. Goethestraße, Schillerstraße, Wiedaer- und Lönsstraße, Hinter den Gärten entstanden und das weit ausgedehnte Straßennetz befand sich schon damals in einem vorbildlichen Zustand.
Schließlich hemmte der zweite Weltkrieg Ort und Fremdenindustrie in der Weiterentwicklung. Obwohl Bad Sachsa Kriegsschäden nicht erlitt, sind der Stadt doch durch die Besatzung erhebliche Schäden erwachsen. Nur langsam konnte der Kurbetrieb, die eigentliche und fast ausschließliche Industrie der Stadt, wieder in Gang gebracht werden. Zunächst waren einige Beherbergungsbetriebe mit Flüchtlingen belegt, so daß die Bettenzahl für die aufzunehmenden Erholungsbedürftigen Jahre hindurch bei weitem nicht ausreichte. Das ist inzwischen wesentlich besser geworden. Schwierig war der Einbau der neuen Mitbürger in die Bevölkerung, denn wie sollte man ihnen beim Fehlen jeder Industrie Arbeit verschaffen?
Stadtverwaltung und Kurbetriebsgesellschaft, sowie jeder Einzelne, dem am Gedeihen unserer Stadt gelegen ist, haben sich bemüht und bleiben bemüht, Schäden, die der Krieg und die Nachkriegszeit hinterlassen haben, zu beseitigen, Fehlendes zu ergänzen, Stadt und Umgebung schöner zu gestalten. Bereits am 12. 12. 1950 ist die Badeabteilung im Kurmittelhaus durch einen Umbau völlig neu gestaltet worden, so daß jetzt alle medizinisch verordneten Bäder von hierzu geschulten Kräften verabreicht werden können.- Hierneben ist der Forstmeister-Baer-Platz neu gestaltet worden, ein schöner Kinderspielplatz wurde angelegt, Straßen ausgebessert und die Parkanlagen am Schützenhaus verschönert.
- In wenigen Tagen wird der neue Musikpavillon im Kurpark wohl mit dem ersten Kurkonzert dieses Jahres der Öffentlichkeit übergeben werden. Im Schwimmbad nimmt man wesentliche Verbesserungen vor durch den Bau eines Vorwärmbeckens. Die Vergrößerung der Anlage unter Einbeziehung des Vorgeländes bis zum Pferdeteich ist in Angriff genommen. Grünanlagen umgeben wieder die umgebauten Verkaufshallen am Kurpark, in denen unter anderem ein Reise- und Verkehrsbüro eingerichtet wird. Viel ist also schon geschehen, noch mehr ist zu tun
Anmerkung der Herausgebers: Die Funktionen der beschriebenen Gebäude sind heute (Dezember 1997) größtenteils andere.
Aus: Festschrift zum 60jährigen Jubiläum des Pädagogiumsgeschrieben von Dr. med. dent. F. Markmann mit dem Originaltitel
"Geschichte und Entwicklung der Stadt Bad Sachsa"